In Argentinien kochen die Emotionen hoch: Breite Proteste und Streiks richten sich gegen die Bestätigung eines umstrittenen Urteils des Obersten Gerichtshofs gegen Ex-Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner. Am Dienstag bestätigte das Gericht die vom Kassationsgericht verhängte Strafe von sechs Jahren Haft und einem lebenslangen Verlust der Amtsfähigkeit wegen Amtsvergehen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in der Provinz Santa Cruz. Die Entscheidung löste landesweite Demonstrationen aus und wird von vielen als Angriff auf die Demokratie gewertet.
Nach Bekanntwerden des Urteils blockierten Demonstrant:innen zahlreiche Autobahnen und Schnellstraßen in die Hauptstadt Buenos Aires. Studierende besetzten Fakultätsgebäude öffentlicher Universitäten, während die Gewerkschaften der öffentlichen Angestellten und Metallarbeiter:innen Streiks ausriefen.
Die peronistische Führung traf sich am Dienstag in der Parteizentrale in Buenos Aires, um die Lage zu beraten, während sich draußen zahlreiche Anhänger:innen versammelten. Kirchner selbst hielt eine kämpferische Rede und kehrte anschließend nach Hause zurück, wo sie ebenfalls von einer Menschenmenge empfangen wurde. Die Stimmung ist angespannt, da Gerüchte über eine mögliche sofortige Festnahme kursierten.
Umstrittenes Urteil und juristische Kritik
Das Gericht setzte eine Frist von fünf Tagen für den Haftantritt, doch da Kirchner über 70 Jahre alt ist, könnte sie gemäß argentinischem Gesetz die Strafe im Hausarrest verbüßen. Ihre Anwält:innen haben entsprechende Anträge gestellt, während die Staatsanwaltschaft eine sofortige Inhaftierung fordert. Gleichzeitig kündigten Kirchners Verteidiger:innen an, das Urteil vor internationalen Instanzen wie dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte (Corte IDH) und dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag anzufechten, da sie eine „unrechtmäßige Verfolgung“ sehen.
Das Urteil selbst steht massiv in der Kritik. Die drei Richter des Obersten Gerichtshofs wiesen die Beschwerde in einem lediglich zweiseitigen Dokument als „unzureichend begründet“ zurück, ohne die zahlreichen Mängel des Verfahrens detailliert zu prüfen. Viele Jurist:innen, darunter Verfassungsrechtler Andrés Gil Domínguez, sehen darin einen Verstoß gegen das Recht auf einen fairen Prozess. Besonders auffällig ist die Rekordzeit von nur 47 Tagen für die Bestätigung des Urteils – ein Tempo, das bei anderen Verfahren, etwa zu Menschenrechtsverletzungen oder dem umstrittenen Dekret Nr. 70, undenkbar scheint.
Lawfare und politischer Druck
Die Entscheidung wird als Teil einer gezielten „Lawfare“-Kampagne betrachtet, insbesondere nach Kirchners Ankündigung, als Abgeordnete in der Provinz Buenos Aires zu kandidieren. Rechtsgerichtete Medienkonzerne wie Clarín und La Nación hatten in den vergangenen Wochen massiven Druck auf die Richter ausgeübt, das Urteil schnell zu bestätigen.
„Dies ist ein juristischer Staatsstreich“, erklärte Juan Grabois, Anführer der Partei Frente Patria Grande. Menschenrechtsorganisationen wie die Mütter und Großmütter der Plaza de Mayo bezeichneten das Urteil als „Angriff auf die Demokratie“. Auch international wächst die Solidarität mit Kirchner, während die Kritik an der argentinischen Justiz lauter wird.
Ein Land im Aufruhr
Die Proteste und die Debatte um das Urteil gegen Cristina Kirchner zeigen die tiefe Spaltung Argentiniens. Für ihre Anhänger:innen ist sie eine Symbolfigur des Peronismus, die Opfer einer politisch motivierten Verfolgung wird. Kritiker:innen hingegen sehen in ihr eine korrupte Politikerin, die ihrer Strafe nicht entgehen darf.
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