Samstag, 14. Juni 2025

Jair Bolsonaro vor Gericht: Schwere Vorwürfe im Putschprozess erschüttern Brasilien

Der ehemalige brasilianische Präsident Jair Bolsonaro steht im Zentrum eines brisanten Strafprozesses, der das Land bewegt. Die Generalstaatsanwaltschaft wirft ihm und acht weiteren Angeklagten vor, einen Staatsstreich geplant zu haben, um die Wahlergebnisse von 2022 zu kippen, die Amtsübernahme von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva zu verhindern und sogar Anschläge auf Lula sowie Oberster-Gerichtshof-Richter Alexandre de Moraes zu organisieren.

Die Verhöre, die Anfang der Woche unter der Leitung von Richter Moraes stattfanden, markieren einen entscheidenden Moment in einem der folgenreichsten Prozesse der jüngeren brasilianischen Geschichte.

Ein geplanter Umsturz?

Im Fokus der Anklage steht die mutmaßliche Planung „verfassungswidriger Maßnahmen“, die den Ausnahmezustand und die Verhaftung von Amtsträgern wie Richter Moraes vorsahen. Zu den Angeklagten zählen hochkarätige Figuren aus Bolsonaros Umfeld, darunter der ehemalige Geheimdienstchef, ein früherer Marinekommandant und vier Minister seines Kabinetts. 

Laut Oberstleutnant Mauro Cid, einem ehemaligen Vertrauten Bolsonaros und nun Kronzeuge, war der Ex-Präsident nicht nur über den Putschplan informiert, sondern beteiligte sich aktiv daran. Cid zufolge nahm Bolsonaro an der Vorstellung des Plans teil, schlug Änderungen vor und drängte auf die Festnahme von Moraes. Ziel sei es gewesen, „soziales Chaos“ zu erzeugen, um gewaltsame Maßnahmen zu rechtfertigen.

Cid enthüllte zudem, dass es mehrere Treffen zwischen Bolsonaro und hochrangigen Militärs gab, bei denen ein möglicher Staatsstreich erörtert wurde. General Braga Netto, ehemaliger Verteidigungsminister, soll als Bindeglied zwischen Bolsonaro und Protestlagern seiner Anhänger vor Militärkasernen fungiert haben. Diese Lager waren nach der Wahlniederlage Bolsonaros 2022 entstanden und forderten eine militärische Intervention.

Bolsonaros Verteidigung

Bolsonaro selbst weist alle Vorwürfe entschieden zurück. In seiner Anhörung bezeichnete er die Anklage als „unbegründet“ und distanzierte sich von den Protestlagern, die er als „freiwillige Bewegung“ ohne seine direkte Beteiligung beschrieb. Über deren Aktivitäten sei er lediglich durch Medien informiert gewesen. Auch die Ereignisse vom 8. Jänner 2023, als seine Anhänger in Brasília den Platz der Drei Gewalten stürmten, spielte er herunter. Er betonte, dass keine Schusswaffen im Spiel waren, und nannte es „unsinnig“, dies als Putschversuch zu werten.

Die hohen Strafen gegen einige Beteiligte kritisierte er als unverhältnismäßig: „Ich kann bestimmte Strafen für Leute nicht verstehen, die kaum wussten, was sie damals taten.“

Seine wiederholten Angriffe auf das Wahlsystem rechtfertigte Bolsonaro damit, dass er lediglich auf Sicherheitslücken elektronischer Wahlurnen hinweisen wollte, ohne das System zu diskreditieren. Gedruckte Stimmzettel seien für ihn eine sicherere Alternative.

Ein Land am Scheideweg

Der Prozess wirft ein Schlaglicht auf die tiefen politischen Gräben in Brasilien. Die Vorwürfe gegen Bolsonaro und sein Umfeld zeigen, wie fragil die junge Demokratie des Landes bleibt. Die Aussage des Kronzeugen Cid und die Verstrickung hochrangiger Militärs und Politiker verstärken die Brisanz des Falls. Gleichzeitig bleibt Bolsonaro für viele seiner Anhänger eine Symbolfigur, die sich gegen ein vermeintlich korruptes Establishment stellt.

Die Verhöre sind ein entscheidender Schritt vor dem erwarteten Urteil in der zweiten Jahreshälfte 2025. Sollten Bolsonaro und seine Mitangeklagten verurteilt werden, drohen ihnen Haftstrafen von über 30 Jahren. Ein solches Urteil könnte die politische Landschaft Brasiliens nachhaltig verändern – und die Spannungen im Land weiter anheizen.

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