Der deutsche Autokonzern Volkswagen steht in Brasilien vor schweren Vorwürfen. Die Arbeitsstaatsanwaltschaft (MPT) hat Anklage erhoben und wirft dem Unternehmen Menschenrechtsverstöße gegen hunderte Landarbeiter:innen auf einer Farm im Amazonasgebiet während der Militärdiktatur (1964–1985) vor. Die Anschuldigungen umfassen Zwangsarbeit, Schuldknechtschaft, erschöpfende Arbeitszeiten, prekäre Lebensbedingungen und bewaffnete Überwachung zwischen 1974 und 1986.
Im Zentrum der Anklage steht die Fazenda Vale do Rio Cristalino, besser bekannt als „Fazenda Volkswagen“, in Santana do Araguaia im Bundesstaat Pará. Auf einer Fläche von 139.000 Hektar – vergleichbar mit der Größe der Metropole São Paulo – wurde Regenwald gerodet, um Weideland für Viehzucht zu schaffen. Die Farm wurde mit Millionen-Investitionen der Militärdiktatur gefördert. Laut der MPT handelten die Verantwortlichen „vorsätzlich und aus diskriminierenden Motiven“, indem sie systematisch eine sozial schwache Gruppe der brasilianischen Bevölkerung ausnutzten.
Vor dem Arbeitsgericht in Redenção (Pará) fand kürzlich eine Anhörung statt, bei der Zeug:innen gehört wurden. Volkswagen wies die Vorwürfe zurück und erklärte, bereits damals Untersuchungen durchgeführt zu haben, ohne Unregelmäßigkeiten festzustellen. Die MPT hingegen betont: „Es besteht kein Zweifel daran, dass die Verantwortlichen vorsätzlich eine schwache soziale Gruppe angegriffen haben.“
Forderungen nach Gerechtigkeit
Die Anklage fordert eine Entschädigung von mindestens 165 Millionen Reais (etwa 26 Millionen Euro) für moralische Schäden sowie eine öffentliche Entschuldigung. Zudem sollen Präventionsmaßnahmen wie Meldewege, Protokolle gegen Sklavenarbeit und Kontrollen in der Produktionskette eingeführt werden, um solche Verbrechen künftig zu verhindern.
Staatsanwalt Luciano Aragão Santos bezeichnete den Fall als „beispiellos“, da trotz zahlreicher Beweise bisher keine Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen wurden. „Der brasilianische Staat hat es versäumt, die Täter und diejenigen, die Menschenrechte verletzt haben, zur Verantwortung zu ziehen“, so Santos.
Präzedenzfall und historische Verantwortung
Bereits 2020 musste Volkswagen in einem ähnlichen Fall in São Paulo 36,3 Millionen Reais (ca. 5,7 Millionen Euro) an ehemalige Arbeiter:innen zahlen, die während der Militärdiktatur in São Bernardo do Campo inhaftiert, verfolgt oder gefoltert wurden. Der aktuelle Fall könnte einen weiteren Meilenstein in der Aufarbeitung der Verstrickungen internationaler Konzerne in die Verbrechen der Diktatur darstellen.
Ein Schritt zur Aufklärung
Der Prozess gegen Volkswagen wirft ein Schlaglicht auf die dunklen Kapitel der brasilianischen Geschichte und die Rolle ausländischer Unternehmen während der Militärdiktatur. Für die Opfer und die Gesellschaft ist er ein Versuch, Gerechtigkeit und historische Verantwortung einzufordern. Die kommenden Verhandlungen werden zeigen, ob Volkswagen für die Vorwürfe zur Rechenschaft gezogen wird und welche Maßnahmen das Unternehmen ergreifen muss, um solche Verstöße in Zukunft zu verhindern.
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